Wie Chief Transformation Officer ihre Organisationen erfolgreich durch die Transformation navigieren
Mit Engagement, Enthusiasmus und Investitionsbereitschaft starten viele Unternehmen Digitalisierungs- bzw. Industrie 4.0.-Initiativen, um sich mit neuen Ideen und Produkten im Wettbewerb zu behaupten. Doch was geschieht, wenn die Organisation nicht so innovativ, flexibel und agil mitspielt, wie im Strategiepapier vorgesehen? Wenn nicht nur der Erfolg der Investitionen in digitale Tools und Change-Maßnahmen ausbleibt, sondern festgefahrene Projekte und interne Interessenskonflikte auch noch die Führungskräfte überlasten, die eigentlich den Wandel gestalten sollten?
Anstatt eine Erfolgswelle zu reiten, ist die Unternehmensführung plötzlich mit einem bedrohlichen Tsunami aus Widerstand und organisationaler Komplexität konfrontiert. In dieser Situation kann ein Chief Transformation Officer (CTO) die erforderliche Kompetenz ins Executive Management einbringen, um Change-Initiativen auf den richtigen Weg zu leiten.
Komplexität orchestrieren und Synergien schaffen: Rolle des CTO
Die Rolle des CTO ist in der angelsächsischen Welt bereits seit einigen Jahren bekannt. Im Kontext von Automatisierung, Digitalisierung und Remote Working gewinnt sie inzwischen auch in großen mittelständischen Unternehmen und Konzernen im deutschsprachigen Raum an Bedeutung. Sie lässt sich insbesondere mit den folgenden Verantwortlichkeiten bzw. Merkmalen charakterisieren:
- CTO verantworten die Transformation an oberster Stelle des Unternehmens mit dem Ziel die Wettbewerbsfähigkeit auch langfristig zu sichern. Sie unterstützen das Management Board dabei, als Schnittstelle zu den Geschäftseinheiten die Umsetzung der Wertschöpfungsagenda des Unternehmens voranzutreiben. Dazu wird ihnen in der Regel ein genauer Zeitplan vorgegeben; entsprechend muss der CTO z.B. die Change-Projekte bewerten, priorisieren und sich dann auf die wesentlichen Projekte konzentrieren, um in der verfügbaren Zeit die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
- CTO orchestrieren die Komplexität organisationaler Veränderung, die häufig in vielen Einzelinitiativen mit unterschiedlichen Zielen, Verantwortlichkeiten und Zeitplänen stattfindet. Bei ihnen laufen die Fäden der Transformation zusammen. Die Verantwortung für die täglichen Entscheidungen und die Umsetzung dieser Initiativen liegt bei den Führungskräften in den Geschäftseinheiten, während ein CTO diese Handlungsfelder überblicken und je nach Bedarf unterstützen oder neu ausrichten muss.
- CTO führen die Organisation in die Zukunft. CTO blicken unabhängig und objektiv auf die Struktur und die Arbeitsweise des Unternehmens. Er oder sie muss in der Lage sein, die hochgradig vernetzte Natur einer Organisationen zu erfassen und z.B. in einem „Big Picture“ herunterzubrechen und kommunizierbar zu machen.
- Ein CTO ist das Gesicht der Umgestaltung, gibt den Ton an, motiviert das Team und stellt etablierte Denkmuster in Frage, kann also zugleich konfrontationsfreudig und diplomatisch geschickt agieren. Allerdings sind CTO nicht nur Beobachter*Innen und (An-)Treiber*Innen von Veränderungen. Sie sollten zudem für Synergieeffekte sorgen, indem sie Mitarbeitende, Infrastrukturen und Informationen funktionsübergreifend zusammenführen und auf Innovation und Wachstum ausrichten.
Im Zuge der digitalen Transformation zielen viele Change-Projekte auf die Verbesserung der Geschäftsinfrastruktur und der Kundenerfahrung (Customer Experience) ab. Einige Unternehmen involvieren ihren CTO daher auch in die Markteinführung digitaler Produkte und Dienstleistungen sowie in die Weiterentwicklung von Geschäftsprozessen, z.B. im Verkauf, Marketing oder bei der Zusammenarbeit mit Partnern und Lieferanten.
Blick über den Wellenkamm: Aufgaben der CTO-Rolle
Die Funktion des CTO kann sich für ein Unternehmen als überlebenskritisch erweisen. Denn in tradierten Strukturen verlieren auch TOP-Manager*Innen zuweilen aus den Augen, was die Organisation mit den ihren Fähigkeiten und Qualitäten erreichen könnte. Ein CTO ist mit turbulenten Arbeitsumgebungen vertraut und versteht es, anhand von Daten und Fakten die Stärken und Schwächen eines Unternehmens zu ermitteln. Der Fokus liegt allerdings nicht darauf, Fehler bzw. Ergebnisse der Vergangenheit zu interpretieren. Sondern aus den gewonnen Informationen die Zukunft – oder besser „Zukünfte“ – des Unternehmens vorauszudenken und es auf den besten Entwicklungspfaden voranzutreiben. Dieser „Blick über den Wellenkamm“ der Transformation ist in mindestens drei Handlungsdimensionen notwendig:
Drei Handlungsdimensionen
1. Cross-funktionales Change-Team aufbauen
Die vielleicht zeitintensivste Aufgabe besteht darin, ein funktionsübergreifendes Team aufzubauen, dass Change-Prozesse koordiniert vorantreibt. Hierbei sollte ein CTO die unterschiedlichen Stärken der Mitarbeiter vereinen, um Veränderungen für das gesamte Unternehmen zu bewirken.
2. Geschäftsarchitektur abbilden und weiterentwickeln
Ein CTO muss die neuralgischen Punkte des Unternehmens kennen und wissen, welche Ressourcen – insb. Wissen, Qualifikationen, Daten – wo vorhanden sind. Mit einem Überblick darüber, welche Personen und Teams mit welchen Aufgaben beschäftigt sind, können CTO bei Veränderungen somit die notwendigen Ressourcen besser orchestrieren.
3. Geschäftsmodell konsequent auf Kunden ausrichten
Was führt Kunden zum Unternehmen und bindet sie? Mit welchen Produkten oder Dienstleistungen könnte man sie in Zukunft begeistern – und was würden sie dafür ausgeben? CTO wissen, wie der Wettbewerb diese Fragen beantwortet und wie disruptive Konkurrenten Kundenorientierung leben.
Dazu visualisiert der CTO z.B. Customer Journies, d.h. er beschreibt sowohl Kunden als auch den Start- und den Zielpunkt ihrer „Reise“ beim Erwerb von Produkten, im Erstkontakt etc. Somit wird u.a. klar, wie sich Kunden besser erreichen und diese Reisen angenehmer gestalten lassen.
Rückenwind für den CTO
Als Verantwortlicher für dieses Aufgabenspektrum ist ein CTO besonders wertvoll für Unternehmen, die mit lange gewachsenen, komplexen Strukturen und Hierarchien dazu neigen, Veränderungsinitiativen eher auszubremsen als anzunehmen. Besonders in Organisationen, in denen das Selbstbild aus einer früheren, erfolgreichen Ära sehr präsent ist, wird es den CTO viel Kraft kosten, diese Aufgaben zu lösen und einen neuen Kurs zu setzen.
Erfolgreiche CTO erfahren daher die volle Unterstützung der Geschäftsführung. Zum Beispiel sollte der CEO die Position und Agenda des CTO anderen Führungskräften und Mitarbeiter*Innen erläutern und dabei unterstreichen, dass sie bis hinauf zur Vorstandsebene volle Unterstützung genießt. Dieser Rückhalt befähigt den CTO, die Mitarbeiter im gesamten Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, Veränderungen tatsächlich voranzutreiben – und den Komplexitäts-Tsunami zu zähmen.
*Die Bezeichnung wird in diesem Text genderneutral verstanden.